Das Ende einer Feindschaft

Wie ein Volontär der HT-Redaktion endlich seinen Frieden mit dem Fahrrad machte

Was dem Schuster seine Leisten sind, das ist dem Zeitungsschreiber sein rückenschonender Bürostuhl. Ganz sicher ist es nicht der Fahrradsattel. Fand ich zumindest.

Und so musste ich erst einmal tief durchatmen, als die lieben (und außerdem vorgesetzten) Kollegen mich darum baten, bei der "Tour de Hohenlohe" mitzuradeln. Immerhin: Die große Runde musste ich nicht fahren. Doch ist "groß" freilich ein ganz und gar relativer Begriff. In meiner Welt, die jahrelang recht gut ohne Drahtesel funktionierte, bedeuteten schon 45 Kilometer: weit, sehr weit, zu weit. Eine Strecke für den Verbrennungsmotor, nicht für die Beine.

Die morgendliche Ankunft in Schrozberg ließ den Respekt vor der Aufgabe nicht gerade schrumpfen: Ausschließlich langstreckengestählte Körper in hochprofessioneller Kluft und mit quasi selbst vorwärtsstrebenden Ultraleichträdern nahm ich wahr. Die vielen anderen Hobbyradler hielt ich allesamt für Ausnahmen, die die Regel nur bestätigten.

In angespannter Stimmung stieg ich auf das alte Fahrrad meines Vaters, das ich am Tag zuvor verstaubt und mit platten Reifen aus einer dunklen Ecke der Garage gezogen hatte.

Jahre der Fahrradabstinenz schüttelt man nicht gleich aus den Beinen, und so waren die ersten Anstiege der - insgesamt anfängerfreundlichen - Strecke nicht vergnügungssteuerpflichtig. Tunnelblick. Treten, einfach treten. Und dann doch: Lindlein am Ende des Tunnels. Dort drehten sich die drei riesigen Windräder in gleichgültiger Gemütlichkeit. Irgendwie war das beruhigend. Genau wie die Tatsache, dass auch die meisten anderen Teilnehmer in gemütlichem Tempo durch die bäuerliche Umgebung fuhren.

Ob des ungewohnten Rendezvous mit einem Fahrradsattel begann mein Gesäß zwar bald zu schmerzen, doch nahm die Freude am Fahren im Gleichschritt zu. Vorbei an meist abgemähten Äckern, an duftenden Wiesen und üppig behangenen Apfelbäumen radelte ich der Anspannung davon und wohliger Erschöpftheit entgegen.

"Tour de Hohenlohe" als Strafarbeit? Heute sage ich: Keinesfalls. Mein Leisten bleibt der Bürostuhl, aber der Sattel ist nicht mehr mein Feind.

Sebastian Unbehauen; Hohenloher Tagblatt vom 13.09.2010