Auf welligem Kurs durch Natur und Geschichte

Schwäbisch Hall: "Tour de Hohenlohe" führt durch wunderschöne Natur und Residenzstädtchen ? Aktionswochenende am 8./9. September

Heute Abend auf der "Treppe" die Comedian Harmonists. Klingt verlockend. Aber vermutlich gibt es sowieso keine Karten mehr für die Freilichtaufführung im Herzen von Schwäbisch Hall. Und statt des "kleinen grünen Kaktus" suchen wir erst einmal große grüne Landschaft - mit dem Fahrrad.

Die Stadt der Salzsieder wird gerne angepriesen als Ausgangspunkt für den Kocher-Jagst-Radweg, einem "Geheimtipp unter Deutschlands Flussradwegen: 330 Kilometer voller Erlebnisse und Entdeckungen". Aus den zig Strecken-Vorschlägen haben wir die "Tour de Hohenlohe" ausgewählt. 100 Kilometer durch eine herrliche Kulturlandschaft mit alten Residenzstädten und idyllischen Dörfern, die der Verein Hohenlohe und Schwäbisch Hall Tourismus mit einem Aktionswochenende am 8./9. September offiziell einweihen will.


Gut zehn Kilometer vorwärts und Jahrhunderte zurück - so findet man Vellberg, die erste Station der Tour. Ein Städtchen mit mittelalterlichem Kern, das sich auch das "kleine Rothenburg" nennt. Am Eingang zum "Städtle" verweist ein kleines Schild stolz auf den "einzigen unterirdischen begehbaren Wehrgang in Süddeutschland". Was an diesem Tag viel mindestens genauso ins Auge sticht, ist Kunst der Neuzeit: bunte Fahnen und Tücher, die einen schönen Kontrast zum Fachwerk bilden - und einen attraktiven Hintergrund für Hochzeitsfotos. Ein Brautpaar lässt sich gerade fürs Familienalbum ablichten.

Wie die Welt von Carl Spitzweg

Vom Bühlertal geht es ziemlich wellig weiter nach Ilshofen. Von den "geheimnisvollen Winkeln", die im Stadtprospekt angepriesen werden, haben wir nicht viel entdeckt, dafür aber wunderschöne Natur rund um die Stadt, die dazu verlockt, munter weiter zu kurbeln und sich die Lunge vollzupumpen mit den Düften der Sommerlandschaft. Ohne Anstrengung geht es aber nicht, denn die nächste Station, Kirchberg an der Jagst, liegt wie der Name schon sagt, auf einer Anhöhe. Aber die Mühe lohnt sich. Die verwinkelte Altstadt mit ihren blumengeschmückten Häuserfronten, Sprossenfenstern und Erkern erinnern an die romantische Welt des Malers Carl Spitzweg. Hervorgegangen ist die Stadt aus einer spätmittelalterlichen Burg, die im 16. und 18. Jahrhundert zur Residenz ausgebaut wurde. Das hoch über der Jagst gelegene Schloss beherbergt heute alte und pflegebedürftige Menschen, die von der evangelischen Heimstiftung betreut werden. Für eine kurze Stippvisite ist Kirchberg eigentlich viel zu schade. Während man darüber nachsinnt, was man in dem schönen Städtchen alles versäumt haben könnte, ist schon der nächste Punkt erreicht, der unbedingt mit der Digitalkamera festgehalten werden muss: die alte Brücke über die Jagst bei Eichenau.

Erinnerung an die Queen

Danach heißt es wieder kräftig in die Pedale treten. Denn die Strecke hoch nach Langenburg zieht sich. Nach der kraftraubenden Muskelarbeit im Sattel ist das Vergnügen umso größer. Die Altstadt mit Türmen und Stadttor, Fachwerkhäusern, schmucken Gassen und dem Schloss mit dem eindrucksvollen Renaissance Innenhof ist ein Traum. Im Schlossgarten treffen wir schon wieder auf eine Hochzeitsgesellschaft. Champagner vor der Fassade der Orangerie und dazu den wunderbaren Blick hinunter ins Jagsttal - schöner kann man einen solchen Festtag kaum gestalten. Eine besondere Reise in die Vergangenheit kann man im Deutschen Automuseum machen. Über 100 Exponate lassen die Motorrad- und Automobilgeschichte lebendig werden. Genauso interessant sind die beiden historischen Filme, die ein paar Schritte weiter in einem Nebentrakt des Schlosses gezeigt werden. Ein streifen erinnert an den verheerenden Brand im Januar 1963, bei dem am Schloss ein Schaden von drei Millionen Mark entstanden ist. Gut zwei Jahre später war die Katastrophe schon wieder vergessen. Am 24. Mai 1965 kam Queen Elisabeth zu Besuch nach Langenburg, was auf einen zweiten Filmstreifen festgehalten ist. Hintergrund des spektakulären Besuches: Der Gemahl der Königin, Prinz Philipp, ist ein Spross der Fürstenfamilie zu Hohenlohe-Langenburg.

Herrlich gelegen ist auch die nächste Station der Tour: Braunsbach, eine von vielen Perlen im Kochertal. Nicht weit vom Ort entfernt spannt sich "Europas größte Brücke" in 185 Meter Höhe über das Kochertal. Bis zum Ziel ist es nun nicht mehr weit. Entlang der Kocher führt der Weg durch Untermünkheim zurück nach Schwäbisch Hall.

Bei einer Latte macchiato in einem Altstadtcafe ziehen die Bilder im Kopf noch einmal vorüber. Die Freilichtaufführung auf der Treppe wäre ein Grund, wieder hierher zu kommen. Vielleicht wieder mit dem Fahrrad und vielleicht wieder in Verbindung mit einer Tour durch Natur und Geschichte.

Infos zur Tour:

- An Kocher und Jagst gibt es ein ausgedehntes Radwege-Netz. Neben dem offiziellen Kocher-Jagst-Radweg, der vor kurzem neu ausgeschildert wurde, gibt es viele Möglichkeiten, die Region mit dem Drahtesel zu erkunden. Die Arbeitsgemeinschaft Kocher-Jagst, 0791/755-7444, hat dazu eine neue Karte herausgebracht. Etliche Wege verbinden die beiden Hauptstrecken entlang der beiden Flusstäler miteinander.

- Auf abgesperrten, autofreien Wegen führt am Wochenende 8./9. September die "Tour de Hohenlohe". Die Touristikgemeinschaft Hohenlohe + Schwäbisch Hall Tourismus (TG) will mit diesem Erlebniswochenende alle Altersgruppen und vor allem auch Familien ansprechen. Von Schwäbisch Hall aus führt die Tour am Samstag, 8. September, über Vellberg, Ilshofen und Kirchberg nach Langenburg. Nach der ersten Tagesetappe - 60 Kilometer oder 30 Kilometer für Familien - erwartet die Teilnehmer im historischen Städtchen Langenburg ein Radlerfest mit Kinderprogramm. Die TG kümmert sich um Gepäck und Personentransfer sowie Übernachtungen. Am Sonntag sind die Radler 40 Kilometer unterwegs von Langenburg über Braunsbach und Untermünkheim nach Schwäbisch Hall. Familientour: 17 Kilometer. Danach können die Teilnehmer Schwäbisch Hall erkunden. Beim Salzsieden vor historischer Kulisse klingt die "Tour de Hohenlohe" aus. Mit dem Startgeld von 5 Euro pro Person ist der gesamte Tourservice abgedeckt. Kinder und Jugendliche radeln kostenlos.

Wer bereits einen Tag früher anreist, kann bei der TG ein Erlebnispaket buchen. Darin sind unter dem Motto "Schwäbisch Hall entdecken" eine Führung durch die Kunsthalle Würth, ein Stadtrundgang mit dem Haller Nachtwächter und wahlweise noch eine Brauereibesichtigung mit Bierprobe und Vesper oder ein Besuch im Indischen Forum mit indischem Buffet eingeschlossen. Ein weiteres Pauschalangebot steht unter dem Motto "Schwäbisch Hall durch Kinderaugen".

- Anreise: Nach Schwäbisch Hall braucht man mit dem Auto von Esslingen aus etwa eineinhalb Stunden. Etwa eine halbe Stunde länger, aber bequemer reist man mit der Bahn. Das Ticket kostet für die einfache Fahrt etwa 15 Euro, hinzu kommen 4,50 Euro (Tagesticket) für den Fahrradtransport.

- Info-Telefon: 0791/755-7309

- www.kocher-jagst.de, www.tour-de-hohenlohe.info

Harald Flößer; Esslinger Zeitung vom 23.08.2007